Musik 21 im NDR 2018-19 | Fluchtpunkt Totale

Der pathosgeladene Totalitätsanspruch, mit dem sich Kunst seit dem 19. Jahrhundert zunehmend verband, erscheint nach der Relativierung und Auflösung allgemeingültiger ästhetischer Doktrinen als Anachronismus. Der Gedanke, Kunst könne große Weltentwürfe liefern, stößt angesichts der historischen Erfahrung, dass die Totalperspektive auch den Umschlag in Totalitarismus ermöglicht, auf Misstrauen. Und zugleich wird der Verlust an Utopien als Vakuum empfunden, in dem kein festes Koordinatensystem Halt bietet. Befreiung oder Beliebigkeit? Bedeutet die Zersplitterung der Totale den Bedeutungsverlust von Kunst? Oder werden nicht vielmehr die hierarchischen Systeme von fraktalen Strukturen abgelöst, die in jedem ihrer Splitter die Totale repräsentieren? Liegt der Fluchtpunkt im unendlich Fernen oder Nahen? Im Spannungsfeld zwischen Verabsolutierung und Relativierung ist die Kunst ein unabgesicherter Ort entfesselter Erfahrung und entgrenzender Radikalität.

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