Jahresthema 2025

»Fremde«

Fremde ist die terra incognita, das Unbekannte, das Verunsicherung verursacht, unsere Koordinaten in Frage stellt und deshalb auch oft als bedrohlich empfunden wird. Dabei ist Fremdheit nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Das meiste dieser Welt ist Fremde. Die meisten Menschen sind Fremde. Jedes neue Erlebnis, jede neue Begegnung konfrontiert uns mit dem Fremden. Fremde sind immer in der Mehrheit. Fremdheit ist ein Grundprinzip unserer Welt, geradezu ihr Motor. Das Fremde überrascht, fordert die Orientierung heraus und schärft damit die Sinne. Gerade die Kunst ist das Labor, in dem der Umgang mit dem Fremden untersucht wird. Ungehörte Klänge, ungesprochene Worte, ungesehene Bilder treten in die Realität, um sie zu erweitern. Das Fremde bereichert, weil es in der Begegnung zum Eigenen werden kann. Und wenn man dem Fremden mit Vertrauen begegnet, wird es vertraut. Nur aus der Berührung mit dem Unbekannten entsteht die Energie, die man Leben nennt.

Foto: © Astrid Schmeling