aeterneA
asambura ensemble | polyLens vokal | Joss Reinicke - Dirigent
Ein interreligiöses Requiem für alle Menschen
nach Brahms’ Requiem
aeterneA ist eine kompositorische Neudeutung des „Deutschen Requiems“ von Johannes Brahms. Vor über 150 Jahren uraufgeführt, brachte Brahms darin seine Auseinandersetzung mit der Vergänglichkeit des Lebens, dem Verlust und schließlich Trost zum Ausdruck. Dabei greift er einerseits auf eine weit in die Vergangenheit zurückliegende Vorstellung von Ewigkeit zurück: Dass die Vergänglichkeit des Diesseitigen in etwas ewig Bleibendes überführt wird. Und gleichzeitig wollte er berührend den Hinterbliebenen Trost spenden – seine persönliche Religionsperspektive mit ausgewählten biblischen Texten.
Clara Schumann beschrieb Brahms‘ Werk als „wahrhaft menschlich“, also alle Menschen betreffend. Wie könnten nun Tröstung, Verlust, Jenseitshoffnungen und -ängste, als zu verschiedensten Zeiten immer wiederkehrende Fragen in einer so vielfältigen und mehrdimensionalen Gesellschaft, wie diejenige der Gegenwart, musikalisch gedeutet werden? Wie klingt ein Requiem, das aus den Erfahrungen der heutigen Zeit hervorgeht? aeterneA geht diesen Fragen als klangliches und interreligiöses Weiterdenken nach und deutet sie aus vielfältigen kultureller Horizonten und interreligiöser Friedenssehnsucht: Elemente aus dem islamischen Sufismus, westafrikanisch-synkretischen Musiktraditionen und jüdisch-hebräischen Einflüssen fließen in eine künstlerisch-interreligiöse Reflexion ein.
aeterneA reflektiert zeitlose Themen wie Vergänglichkeit, Verlust und Trost aus vergangenen wie gegenwärtigen Perspektiven und möchte Raum für ein Miteinander in Vielfalt öffnen.
Udi Perlman beleuchtet klanglich und biografisch die Bezüge zu jüdischen Traditionen, ausgehend von den zugrunde liegenden, meist alttestamentarischen Texte, die teils auch auf Hebräisch erklingen werden. Ein wiederkehrendes Thema in Brahms‘ Werk ist das Konzept der Vergänglichkeit. In der jüdischen Tradition können Rituale als Mittel betrachtet werden, um mit der vergänglichen Natur des Lebens umzugehen. Diese Rituale spielen eine entscheidende Rolle beim Widerstand gegen die Vergänglichkeit in der Existenz. So werden Motive aus der Brahmsvorlage fragmentarisiert und durchweben scheinbar ewig die Klanglichkeit, in polaren Dimensionen zwischen aeternae und perpetua als Dimensionen von Ewigkeit, zwischen zeitloser Ruhe und einer nie aufhörenden Bewegung. Ebenso ist die mehrstimmige Resonanz von Glockenklängen Inspiration für einen Interreligiösen Brückenschlag.
Yudania Gómez Heredia lotet Verbindungen mit ihrer eigenen Yoruba- und afrokubanischen Tradition aus: Die Yoruba-Religion, die ihren Ursprung in verschiedenen westafrikanischen Regionen wie Teilen Nigerias und Benins hat, wurde durch den Sklavenhandel nach Amerika exportiert und bildet den Ursprung für einer Reihe von Traditionen der lange Zeit Unterdrückten, die bis heute in verschiedenen Gebieten Amerikas praktiziert werden, darunter Brasilien, Trinidad und Tobago und Kuba. Diese Traditionen, meist durch polyrhythmische Strukturen geprägt, enthalten verschiedene Formen der Synkretisierung, bei denen eine traditionelle westafrikanischen Glaubensvorstellungen mit christlichen Elementen verschmolzen wurden. Diese Verbindung führte zur Entstehung der „Santería“, einer Praxis, die nicht nur spirituelle Rituale umfasst, sondern ein Zusammenwirken von Klang, Trance, Gesellschaftsereignis und Kontakt zu verschiedenen kleinen Gottheiten, die über das Leben der Menschen mitentscheiden und permanent mit ihnen interagieren.
Ilgin Ülküs‘ Kompositionen verbinden Brahms mit der vom islamischen Sufismus inspirierten menschlichen Lebensreise von der Geburt bis zum Tod. Die Musik fängt die Wahrnehmungen dieses Lebensweges ein, beginnend mit der unbewussten Neugierde bei der Geburt bis hin zur Bekanntheit im Angesicht des Todes. Durch melodische Maqamfragmente und Textpassagen aus dem Requiem entsteht ein atmosphärischer Klangteppich, der sich allmählich ausbreitet zu zirkulären rhythmischen Pattern entwickelt. Textfragmente islamischer Gebetstraditionen werden dabei auf übereinanderlagernden Tonhöhen rezitiert, die zu einem mehrsprachigen Stimmenwirrwarr führen. Zudem werden Ney und Oud mit traditioneller Tasawwuf-Musik collagiert, um eine reichhaltige und vielschichtige Klanglandschaft zu schaffen.