Rainer Koehl

Zum Tode von Hans-Joachim Hespos

Das Team von Musik 21 Niedersachsen trauert um Hans-Joachim Hespos.

Er war eine einzigartige Stimme im Chor der zeitgenössischen Musik, stets auf der Suche nach neuen Klängen, ja nach neuen Formen des Musikmachens. Alles Konventionelle, jede Bequemlichkeit im Umgang mit Tradition war ihm zuwider. Da kannte er keine Kompromisse, was ihm den Ruf eintrug, ein schwieriges Raubein im Umgang zu sein. Doch wer ihn näher kennenlernte, erlebte einen äußerst feinfühligen und humorvollen Menschen – einen Menschen von großer Offenheit gegenüber den verschiedensten Einflüssen nicht nur aus der Musik, sondern insbesondere auch der bildenden Kunst und der Wissenschaft. Damit half er häufig jungen Musikern und Komponisten, über den Tellerrand ihrer Profession zu schauen, um mit neuen Inspirationen ihren eigenen Weg zu finden. Seine Auseinandersetzung mit historischer Musik, beispielsweise (und man möchte sagen: kurioserweise) mit Belcanto-Oper, führte zu ungewöhnlichen Perspektiven auf das Gesamtkunstwerk Musiktheater. In seiner Wohnung in Ganderkesee stieß man auf Schritt und Tritt auf seltsame Instrumente und Klangerzeuger, die ein Orchester ganz eigener Art bildeten.

Wir hatten 2018 die Freude, Hespos noch einmal persönlich zu erleben, als wir in Hannover ein Festival zu seinem 80. Geburtstag veranstalteten. Von unschätzbarem Wert waren seine Hinweise und Hilfestellungen bei den Proben, denn für Hespos stand nicht nur der fixierte Notentext mit seinen plastischen Wortneuschöpfungen im Zentrum, sondern auch die Musikerinnen und Musiker, die die oft extreme Körperlichkeit seiner Musik realisieren. Aus der engen Zusammenarbeit mit ihnen entstanden bei dieser Gelegenheit neue Freundschaften.

Am 18. Juli 2022 ist Hans-Joachim Hespos, der Unbequeme, verstummt. Wir werden ihn und seinen schonungslosen Blick auf die Gegenwart schmerzlich vermissen. Nicht verstummt aber ist seine aufrüttelnde Musik und die Botschaft, die er uns mit ihr auf den Weg gegeben hat: „Macht Dinge, die ihr nicht könnt … und hört nicht auf zu lernen!“